Fallbeispiel 2: Betriebsaufgabe
Rückführung von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen
Da für einen Meisterbetrieb kein Nachfolger gefunden wird, möchte ein 65-jähriger Hand-
werksmeister seine gewerblich genutzte Werkstatt im Erdgeschoss seines dreistöckigen
Wohnhauses, aufgeben. Zum Betriebsvermögen gehören ein Anbau mit verschiedenen alten
Maschinen und ein Holzlagerschuppen. Im Gebäude werden noch zwei kleine Kellerräume
als Kleinlager mitgenutzt. Die Raumaufteilung kann als schwierig zugängig und verwinkelt
betrachtet werden. Die Nutzfläche beträgt ca. 250 m². Ein Mieter, evtl. auch für eine andere
Nutzung, wurde nicht gefunden. Bei Ankündigung der Geschäftsaufgabe wurde vom
Finanzamt der Bemessungsbescheid der Werkstatt im Sachwertverfahren mit 175.000 €
ermittelt.
Bemessungsbescheid (Verkehrswert der Immobilie)
175.000
€
Erlös Verkauf (Geschäftseinrichtung etc.)
15.000
€
Aufgabegewinn
190.000
€
Kapitalkonto
- 50.000
€
Aufgabegewinn
140.000
€
Freibetrag
45.000
€
Obergrenze
136.000
€
Übersteigender Betrag (140.000 € - 136.000 €=)
4.000
€
Gekürzter Freibetrag (45.000 € - 4.000 € =)
- 41.000
€
Steuerpflichtiger Aufgabegewinn
99.000
€
Werden im Rahmen einer Betriebsaufgabe die Wirtschaftsgüter nicht veräußert, so ist deren
gemeiner Wert der zum Zeitpunkt der Aufgabe, anzusetzen.
Soweit zu dem aufgegebenen Betrieb Grundstücke gehören, wird das zuständige Finanzamt
diese Grundstücke überwiegend nach dem Sachwert- oder dem Ertragswertverfahren
bewerten. Das bedeutet, dass der Ertragswert regelmäßig nach einem festem Schema auf
der Basis von vereinbarten oder üblichen Jahresmieten, Bodenwerten,
Liegenschaftszinssätzen und den je nach Restnutzungsdauer entsprechenden Vervielfältiger
berechnet wird. Dem gegenüber richtet sich das Sachwertverfahren nach dem
Wiederbeschaffungswert, das sich unter anderem nach vorgegebenen Tabellenwerten für
Regelherstellungskosten und puren Bodenrichtwerten orientiert.
Dem Steuerpflichtigen ist es aber gestattet, ein Bewertungsgutachten durch einen zertifi-
zierten Sachverständigen erstellen zu lassen. Dieses Sachverständigengutachten bildet den
Verkehrswert nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem tatsächlichen
Zustand des Gebäudes ab. Eine wesentliche Aufgabe eines Sachverständigen ist die
persönliche in Augenscheinnahme des Grundstücks einschließlich der darauf stehenden
Gebäude. So können etwaige Mängel und Schäden in das Bewertungsgutachten einfließen
und den Verkehrswert dadurch eventuell drastisch mindern. Auch hat der Gutachter die
Restnutzungsdauer zu beurteilen und zu schätzen.
Im vorliegenden Fall wurden ich mit der Erstellung eines Gutachten beauftragt. Nach
ausführlicher Recherche und mit einer damit verbundenen SWOT-Analyse wurde festgestellt,
dass eine Drittverwendungsfähigkeit auf Grund der verwinkelten Räume für diese Werkstatt
kaum gegeben ist. Nur das Ertragswertverfahren konnte hier zu einem brauchbaren
Verkehrswert führen, der mit ca. 80.000 € geschätzt wurde. Dadurch führte die Betriebs-
aufgabe zu keiner Steuerpflicht.
Bemessungsbescheid (Verkehrswert der Immobilie)
80.000
€
Erlös Verkauf (Geschäftseinrichtung etc.)
15.000
€
Aufgabegewinn
95.000
€
Kapitalkonto
- 50.000
€
Aufgabegewinn
45.000
€
Freibetrag
45.000
€
Obergrenze
136.000
€
Übersteigender Betrag (45.000 € < 136.000 €)
0
€
ungekürzter Freibetrag (45.000 € - 0 €=)
-45.000
€
Steuerpflichtiger Aufgabegewinn
0
€
© MRICS Dipl.-Ing. (FH) Michael Sauter November 2024